Wir hören schon die Staatskasse zittern und ein gelbes Herz bricht irgendwo im Bundesfinanzministerium.
Das hochgelobte, sozialistische Geschwisterland Luxemburg ist gerade im vollen Gange den anarchistischen Traum zu testen. Kostenloser öffentlicher Personennahverkehr!
Auch einmal quer durch die Europäische Union gibt es im baltischen Estland für alle einheimischen Bürgerinnen und Bürger kostenlose Bus und Bahn – vom Land bezuschusst.
Ist das schon Planwirtschaft? Die Rückkehr des Sozialismus? Der Kommunismus?
Man könnte es allgemein eher als nette Geste für die Menschen bezeichnen, die auf die Verkehrsmittel angewiesen sind und damit die ein oder andere Münze mehr im Geldbeutel besitzen. Das Wortpaar „nette Geste“ ist eine bewusste Provokation des eignen linken Gedankengutes. Ist es denn nicht eigentlich der absolute Traum all derer, die angewiesen auf jegliche Verbindung sind und diese ab und an oder sogar täglich benutzen? Die Antwort müsste so simpel und selbstverständlich sein. Die öffentlichen Verkehrsnetze für jeden. Auch der alleinstehende Vater mit drei Kindern, die obdachlose Dame, die Maklerin, welche sich auf den Weg zu ihrem Kunden in den Stadtrand befindet, sowie diverse Schülerinnen und Schüler, die auch in den Sommerferien ohne Schülerticket einen wunderbaren, sonnigen Tag in den Schatten eines Lindenbaumes in einem Stadtpark verbringen wollen. Genau für diese und vielen anderen Personen wäre es eine „nette Geste“.
Es wäre das absolut mindeste für diese aufgeführten Beispiele. Eine in allen Teilen gleichberechtigte Gesellschaftsstruktur braucht keine Gesten, sondern Taten, die alle in den höheren Stand heben. So lange wir eine Argumentation für Leute führen, die darauf angewiesen sind an jeder erdenklichen Ecke sparen zu müssen, haben wir als Gemeinschaft versagt.
Das Thema des freien ÖPNV führen für die Menschen, die es sich nicht leisten können, darüber zu reden. Es darf aber nicht bei einer „netten Geste“ bleiben, es bedarf tiefgreifende Reformen, um den Wohlstand auch an jeden und jede zu bringen.
Überhaupt eine Debatte?
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Im Prinzip ist ja eigentlich im Herzen jede beziehungsweise jeder dafür oder behauptet es zu unterstützen. Man kann im Süden einer Stadt leben und seine Großeltern im Norddistrikt besuchen und die einzige Ausgabe, die man tätigen muss ist der Lieblingskuchen der Oma, welche es bei dem bestimmten Bäcker in der Nebenstraße welcher in 2. Generation geführt wird.
Wir lieben eine kostenlose Dienstleistung. Der Optikladen, welcher kostenlos Brillen reinigt, die Familienfreundin, welche zufällig Elektrikerin ist, hilft doch gerne beim Elektrifizieren deines Hauses nach ihrer Arbeit. Der Zugbegleiter, der einem in die 1. Klasse setzt, obwohl man nur 2. Klasse gebucht hat. Es ist kein Geheimnis und man sollten dies nie als Selbstverständlichkeit betrachten, das kann die Magie und die Freude dieser Aufmerksamkeiten zerstören.
Natürlich bringt jeder Funke Zauber auch einen Schatten im Schein des Lichtes.
Nicht finanzierbar! Die Umsetzbarkeit ist unmöglich zu erreichen ohne Einnahmen des Ticketverkaufes. Bezahlung des Personals, Wartung der der Fahrzeuge, Instandhaltung der Gleisbetten. So laufen wir auf einer Stelle, da so kein Ausbau des Netzes möglich wäre, von welchem Geld denn auch? Eine Bezuschussung des Staates würde automatisch über Steuereinnahmen ablaufen und dadurch wieder indirekt auf die Menschen zurückkommen.
Ich lass mir doch mein Auto nicht wegnehmen! Den Arbeitsweg mit einem Kaffee im Getränkehalter und zur lauten Lieblingsmusik mitzusingen ist eben nicht das Gleiche wie in der überfüllten, stickigen Bahn zu sitzen, die vielleicht auch genau dann zu spät kommt, wenn man schon die letzte pünktliche Möglichkeit ausgereizt hat, rechtzeitig an der Arbeitsstelle anzukommen. Wer sich den Komfort eines Autos leisten kann, wird auch weiterhin dieses fahren.
Kein ausreichender Effekt auf das Klima! Die Leute, die sowieso mit dem Fahrrad und im Gehen unterwegs sind, werden vielleicht öfter den Fuß in ein Verkehrsmittel setzen. Personen, die vorher schon ihr Auto geliebt haben, werden das auch weiterhin tun. So einen richtig positiven Effekt auf die Klimakatastrophe wird eine kostenfreie Straßenbahn auch nicht bringen.
Haben all diese Argumente eine Daseinsberechtigung?
Erstens: Natürlich. In einer Demokratie sind unterschiedliche Meinung wertvoll und wichtig auszudiskutieren.
Zweitens: Kritikerinnen und Kritiker haben hier durchaus Punkte. Die Gefahr des Ticketverkaufes durch die Steuer ist da und würde genau jene Menschen treffen, welche man entlasten wolle.
Das Auto wird von vielen Menschen so lange benutzt, bis wahrscheinlich die Reifen aus den Fugen fallen und über die entstehenden Einöden der einst bewaldeten europäischen Natur rollen.
Nachteile aushebeln
Um langfristig auf eine realistische Umsetzung des kostenlosen ÖPNVs zu setzen, braucht es junge, frische Perspektiven, damit es eine Wirkung an alle Menschen weitergeben kann und genau nicht zum gesellschaftlichen Streitthema und zur Auseinandersetzung der Oberen und der Unteren kommt. Wenn alle erkennen, dass es Pläne für eine sichere und vorteilhafte Umsetzung für alle gibt, dann aktiviert sich vielleicht die gemutmaßte positive Grundeinstellung von jedem Individuum, die Liebe zu kostenlosen Dienstleistungen, die einem nur Vorteile bringt.
Die Innenstädte, Stadtzentren und die pulsierenden Adern eines Gebietes sollten so autounfreundlich wie möglich gestaltet werden. Neben den bereits bekannten positiven Effekten wie der Reduzierung der Feinstaubbelastung, Lärmverringerung und Sicherheit für Passantinnen und Passanten, bewegt die Leute auch auf die Tram, S-Bahn oder sonstige Nahverkehrsmittel umzusteigen.
Es darf aber niemals dazu kommen, dass Menschen, die auf das Auto angewiesen sind benachteiligt werden. Einher muss ein massiver Ausbau der Infrastruktur erfolgen. Ein Dorf darf nicht nur alle paar Stunden befahren werden. Man sollte niemals mehr als 10 Minuten zu einer Haltestelle in einem Stadtgebiet laufen müssen. Eine hohe Taktung ist einzuführen, die es ermöglicht spontan und flexibel überall hinzukommen. Es darf sich niemand ausgeschlossen fühlen vom Gesamtnetz. Auch ein Ausbau der Linien, die nicht nur alleine im Stadtkern direkt verkehren ist erforderlich.
Die Förderung des praktischen, schnellen, sicheren und vor allem zuverlässigen Charakters der Verkehrsbetriebe ist somit fast schon ein Selbstlauf. Eine Alternative, die man gerne hat, weil sie mehr Vorteile aufweist als alte Verhaltensweise. Mit Zwang erreicht man keine nötige zuversichtliche Grundeinstellung, um die Akzeptanz der Maßnahmen dementsprechend zu beflügeln. So wenig negative Assoziationen wie möglich erleichtern den Umstieg auf ein öffentliches Verkehrsmittel für viele Nichtnutzer.
Sobald man diese Menschen abgeholt hat, wäre der nächste Punkt die Finanzierbarkeit.
Mehr Personal muss ausgebildet, besser bezahlt und eingestellt werden. Jegliche technischen Fragen und ständige Modernisierung muss durchgeführt werden um die ständige Inbetriebnahme zu gewährleisten. Es bedarf eine riesige Investitionswelle mit riesigen Geldmengen, um überhaupt ein solides Grundgerüst zu schaffen, was attraktiv genug durch alle Gesellschaftsschichten sich ziehen muss. Ein breiter politischer Wille ist notwendig, um Lösungen der Finanzierung im ersten Lauf zu finden. Eine Infrastrukturabgabe für jedes angemeldete Auto über die Steuer abzurechnen, hier streitbar, ob man dies ans Einkommen bindet und erst ab der Grenze zur Oberschicht eine Steuer erhebt, wäre eine Möglichkeit. Ob eine Steuer überhaupt sinnvoll erscheint, wenn man doch die nötige Zustimmung zur Verwirklichung durch alle Bevölkerungsschichten gleichbleibend benötigt, ist hierbei definitiv ein Thema. Ein „Jetzt mach ich es erst recht“-Effekt, der eintreten könnte, würde eine negative Bilanz gegenüber dem Klima aufweisen. Die andere Seite – hätte der Zulauf der Mittelschicht zu einer breit ausgebauten Bahn nicht schon einen ausreichend hohen Faktor?
Ist die Aufnahme von neuen Staatsschulden für eine riesige technologische und logistische Kehrtwende sinnvoller als die oberen Schichten der Gesellschaft zu besteuern? Niemand hätte da direkt einen Nachteil und man würde nicht zum ersten Mal bei einem Thema eine direkte Schuldenaufnahme fordern. Eine gleichbleibende Gehaltsstruktur für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verkehrsmittel und damit auch die Attraktivität der Arbeit wäre geschaffen und vor allem sicher. Direkte Förderung und genaue Planung der Ausgaben könnten gezielt eingesetzt werden und sind nicht an der steuerlichen Situation gebunden. Es kann da Geld aufgetrieben und ausgegeben werden, wo es auch benötigt wird. Aber wir kennen alle hierfür ein Problem: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Ohne die breite Zustimmung der Bevölkerung, welche sich im Bundestag widerspiegeln muss, wird eine Umsetzung direkt schwierig.
Um dies vielleicht komplett zu umgehen und für das erste einen spontanen Effekt zu erzielen, gäbe es auch die Möglichkeit des Verbotes der Kontrolle der Fahrscheine. Dann hätte man eine Teilfinanzierung durch derer, die bereit wären zu zahlen, auch wenn diese wahrscheinlich verschwindend gering wäre, und eine Entkriminalisierung von Menschen, die Tickets entweder vergessen haben zu entwerten oder es schlicht sich nicht leisten können.
Eine Meinung
Bedenken wir nach all der Negativität, was für ein angenehmer Effekt für theoretisch jede Person erzielt werden kann. Ein obdachloser Mensch, der nicht mehr mit Strafgeldern bombardiert wird und vielleicht sogar in eine Ersatzfreiheitsstrafe hätte gehen sollen. Menschen, die sich kein regelmäßiges Ticket leisten können und ebenfalls nicht in ständiger Angst leben müssen, eine Anzeige für Erschleichung von Leistungen zu bekommen.
Eine junge Perspektive für die Menschen in Deutschland, im eigenen Wohngebiet alle Teile der Stadt bis hin ins ländliche Gebiet zu kommen. Man sollte in kürzester Zeit jede Veranstaltung, jede Feier und Party, jede Arbeit erreichen können. Die Frage könnte lauten: Ist dies eine kulturelle Revolution? Die Anzahl der Menschen, die anfangen dadurch kleine Geldmengen zu sparen und diesen vielleicht in die lokale Wirtschaft stecken. Dann geht man doch mal gerne in das Restaurant im Norden der Stadt, weil man nur Gutes davon gehört hat. Dann kann man doch mal in diesen Laden im Süden gehen, der genau das Produkt hat, was man eigentlich wollte und nicht das, was gerade in der Nähe ist. Dann kann man doch ins Museum gehen, auf Feste und Veranstaltungen in andere Teile der Stadt fahren. Dann(…), Dann(…), Dann(…). Die Fortführung könnte ewig so fortgesetzt werden. Auch wenn es Zweifel an der Wirksamkeit auf die Klimaproblematik und den Umstieg von Autos auf die kostenlosen Verkehrsmittel gibt, wie man regelrecht im Internet finden kann. Eine Befreiung der Öffentlichkeit von den Tickets ist eine Erleichterung für jede Person, die irgendwann mal diese benutzen möchte. Der Wegfall von Bußgeldern und Strafanzeigen werden nicht nur die Verwaltung und die Justiz entlasten, sondern auch die Vermenschlichung derer, die wenig haben, in der Gesellschaft fördern. Diese werden nicht mehr öffentlich beim Erwischen des Schwarzfahrens und in den Gerichtsverhandlungen bloßgestellt, sondern entlastet auch die Strafvollzugsanstalten, welche genau die Menschen bestrafen muss, die sich ein Bußgeld genau so wenig leisten konnten wie ein Stück Papier aus den Fahrkartenautomaten. Das Geld alleine, was man für die Unterbringung der Menschen in Gefängnissen spart, das kann man in soziale Projekte oder direkt in den Verkehr investieren.
Der ÖPNV kann man schon als ein Grundgerüst der Kommunikation zwischen den Menschen zählen. Personen ohne die finanzielle Möglichkeit für ein Auto können Freundinnen und Freunde besuchen, sehen und in die Arme schließen. Ist also gerade für jene junge Menschen attraktiv, für die die Anschaffung eines Autos sowieso in weiter Ferne liegt. Zwischenmenschlicher Kontakt ist eines der grundlegendsten Bedürfnisse des Menschen. Sowie ein Staat Nahrungs- und Wasserversorgung, Unterkunft und Sicherheit gewährleisten muss, ist auch ein Sozialcharakter nicht zu unterschätzen und dringend zu fördern. Es wäre nicht die Erfüllung des kompletten Bedürfnisses, aber es wäre ein Teil und damit ein Anfang für die Menschen, die es aufgrund ihrer verschiedensten Lagen, nicht können.
Wirtschaftliche Vorteile für Kultureinrichtungen und auch die kombinierbare Erhöhung der Kaufkraft in den lokalen Geschäften ist theoretisch auch einkalkulierbar.
Die Debatte ist durchzogen von Möglichkeitstheorien und Umsetzungsmöglichkeiten oder auch Unmöglichkeitsgedanken. Aber sollte man nicht aktiv nach verschiedensten Herangehensweisen suchen, um das Leben aller zu vereinfachen?
Das ist keine soziale Frage, sondern eine menschliche Frage.